Die Bandscheiben-KrankheitEin Überblick für Betroffene und Beteiligte.Auch im Internet unter http:\\www.neuro-bodensee.de\bsbuchganz.html |
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Die Wirbelsäule des Menschen ist die Achse des Körpers. Sie besteht aus 7 Hals- , 12 Brust- und 5 Lendenwirbeln sowie dem Kreuzbein, das fest mit dem Becken verbunden ist. Diese Achse ist nicht starr und gerade, sondern in sich geschwungen und beweglich durch viele Gelenke, die Wirbelgelenke und die Bandscheiben. Ein Wirbel besitzt einen Wirbelkörper als tragendes Element. Dahinter setzt ein halbkreisförmiger Bogen an, der den eigentlichen Wirbelkanal umschließt. Darin verlaufen, durch den Bogen geschützt, das Rückenmark und an der Lendenwirbelsäule die Gesamtheit der unteren Nervenwurzeln. |
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Das eigentliche Rückenmark zieht nur hinab bis etwa zur Höhe des 1. Lendenwirbels. Die weiteren Nervenwurzeln zu Becken und Beinen verlaufen als Cauda (lateinisch: der Schwanz) weiter nach unten durch den Lendenwirbelkanal bis zu ihren Austrittspunkten. (Deswegen ist die sogenannte Rückenmarkspunktion keine Punktion des Rückenmarks, sondern des Lendenwirbelkanales.) Die Wirbelbögen sind durch Wirbelgelenke miteinander verbunden, die sich wie Kippgelenke verhalten. Deswegen fällt das Beugen in der Wirbelsäule leichter als die Seitwärtsneigung. Die Wirbelkörper sind gelenkig durch die Zwischenwirbelscheiben, die Bandscheiben, verbunden. Man kann die Wirbelsäule mit einem Schiffsmast vergleichen, der durch die seitlichen Verspannungen und Streben biegsam in Mittelstellung gehalten wird. Das sind bei der Wirbelsäule die Rückenstreckmuskeln, die Bauchmuskeln, die Schultermuskeln und die Gesäßmuskeln. Kommt der Schiffsmast ins Wanken, d.h. lockern sich Bandscheiben oder Gelenke, so muß nachgespannt werden, d.h. die Muskeln müssen das Ganze wieder im Gleichgewicht halten. Die sog. Rückenschule ist insofern eine Muskelschule. |
Die Bandscheibe besteht aus einem sehr festen, sehnigen Faserring, dem Bandscheibenring (Anulus fibrosus), der den Bandscheibenkern aus Knorpel (lat. Nucleus pulposus) zusammenhält. Somit bildet sie, zwischen den Wirbeln sitzend, Stoßdämpfer und Kugelgelenk zugleich, die die Druck- und Biegebelastungen der Wirbelsäule ausgleichen. |
Die beiden untersten Bandscheiben, d.h. diejenige zwischen 4. und 5. Lendenwirbel und jene zwischen 5. Lendenwirbel und Kreuzbein tragen das meiste Gewicht. Hier ist auch die Beweglichkeit am größten. Deshalb nutzen sich diese beiden Bandscheiben am schnellsten ab und hier kommt es auch zu den häufigsten Bandscheibenschäden. |
Schon mit dem Erwachsenwerden trocknen die Knorpelmassen der Bandscheiben aus. Die Stoßdämpfer sind flüssigkeitsärmer und puffern schlechter. Die Bandscheibe wölbt sich vor - es besteht eine Protrusion. |
Der Knorpelkern innerhalb des Faserringes kann sich verschieben, sich gegen den Faserring pressen, hier Risse verursachen und durch den Faserring immer weiter vorfallen. Der Prolaps oder Bandscheibenvorfall entsteht. |
Die Knorpelmasse kann sogar den Faserring durchbrechen und in den Wirbelkanal eindringen. Knorpelmasse schert ab - ein Sequester entsteht. |
Die ersten Risse im Faserring treten schon zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr auf. Zu den meisten
Bandscheibenerkrankungen kommt es deshalb im mittleren Lebensalter, zwischen 35. und 55. Lebensjahr.
Die Bandscheibe verkleinert sich, während sie austrocknet. Die beiden angrenzenden Wirbel nähern sich deshalb einander - der sogenannte Zwischenwirbelraum wird schmäler, was man im Röntgenbild leicht erkennen kann. Die Bandscheiben selbst kann man im normalen Röntgenbild aber nicht erkennen! Die sonst straffen Sehnenverbindungen zwischen den Wirbeln und die Gelenkkapseln der Wirbelgelenke lockern sich durch diese Erniedrigung des Zwischenwirbelraumes. Dadurch können sich Wirbel und Gelenke verschieben, kann es sogar zum Wirbelgleiten, zur Instabilität, kommen. |
Die Knorpel der Wirbelgelenke werden abgenutzt (Arthrose der kleinen Wirbelgelenke). Durch die Lockerung und Verschiebung in den Gelenken muß die Rückenmuskulatur mehr Arbeit übernehmen (Schiffsmast). Das führt zu Verspannungen der Muskulatur, die wiederum schmerzhaft sind. Verschiebung und Lockerung führen auch zu Knochenneubildungen der Natur, die die Gelenke und Wirbel abstützen will. Es kommt zum knöchernen Umbau von Knorpeln (Osteochondrose), Abstützreaktionen mit Sporn- und Zackenbildungen der Wirbel (Spondylose), Umbau und Auftreibung der Wirbelgelenke (Spondylarthrosen). Diese Knochenanbauten können dann zur Verengung des Wirbelkanales (Spinalkanalstenose)und zur Verengung der Zwischenwirbellöcher, den Austrittskänalen für die Nervenwurzeln, führen (Foraminalstenose, Rezessusstenose). |
Nach vollständigem knöchernen Umbau der Gelenke und Bandscheiben im höheren Lebensalter kehrt jedoch Ruhe ein, es tritt Beschwerdefreiheit ein. Über die Lebenszeit betrachtet gehört das Bandscheibenleiden also zu den wenigen Krankheiten des Menschen, die sich nach einer gewissen Verschlimmerung dann zunehmend bessern und sogar verschwinden. Vor diesem Hintergrund sollte auch die Behandlung des Bandscheibenvorfalles gesehen werden: Nur in einem geringen Teil ist eine Operation erforderlich. |
Die Bandscheibenerkrankung ist also eindeutig eine altersbedingte Erkrankung,
wobei der natürliche Altersabbau des Bandscheibengewebes schon in der Kindheit beginnt und seinen
Höhepunkt zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr hat.
Daneben sprechen einige Untersuchungen auch für eine Vererbung des Bandscheibenleidens: Es gibt Familien, in denen es besonders häufig zu Bandscheibenerkrankungen kommt. Anlagebedingt kann auch eine sogenannte Bindegewebs- und Knorpelschwäche sein. Aber auch Beruf und Lebensführung können das Risiko für Bandscheibenerkrankungen erhöhen: Mangelnde körperliche Betätigung und Übergewicht. Zwangshaltungen wie sitzende Tätigkeiten, vornübergeneigte Haltung, Heben und Tragen schwerer Gegenstände, halb gebückte Tätigkeiten können zur Verlagerung von Bandscheibengewebe führen. Diese sollten auch nach überstandener Bandscheibenerkrankung möglichst vermieden werden. Risikofaktoren sind auch Beckenschiefstand durch Beinverkürzung, Wirbelsäulenverkrümmungen und angeborenes Wirbelgleiten. Durch Unfälle und plötzliche Überanstrengung entsteht ein Bandscheibenvorfall nicht! Bei einer gesunden Wirbelsäule bricht nämlich eher ein Wirbel als eine Bandscheibe. Aber bei einem Bandscheibenleiden, das bisher nicht bemerkt wurde, kann sich durch einen Unfall oder plötzliche heftige Muskelanspannung (Verheben) ein Bandscheibenleiden zum ersten Mal äußern. Der Faserring der bereits erkrankten Bandscheibe reißt weiter und es kommt zum Bandscheibenvorfall. |
Beim sog. Bandscheiben- oder Rückenleiden zeigen sich verschiedene Schmerzbilder. Diese lassen sich durch die Nervenversorgung erklären. Bei der Bandscheibenvorwölbung in der Mitte kommt es zur Dehnung des Faserringes und des sogenannten hinteren Längsbandes. Das ist ein Sehnenband, das entlang der Vorderwand des Wirbelkanales über alle Wirbelkörperhinterflächen und Bandscheiben von oben nach unten verläuft und diese in ihrer Position hält. Bei Vorwölbung dieses Bandes werden feinste Nervenästchen gereizt. Die Schmerzen sind dumpf und schwer zu orten. |
Man spricht von tiefen Kreuzschmerzen - entweder chronisch oder als sog. Hexenschuß, wenn sie plötzlich und heftig entstehen. Ein tiefer dumpfer Rückenschmerz, ohne Ausstrahlung zur Seite oder in die Beine. Erst wenn die Bandscheibenvorwölbung mehr seitlich zu liegen kommt und auf die eigentliche Nervenwurzel drückt, kommt es zu Wurzelschmerzen oder Ischias. Aber nicht der Ischiasnerv des Beines ist eingeklemmt oder entzündet, sondern eine der Nervenwurzeln am Austrittspunkt aus dem Wirbelkanal. Diese vereinigen sich nach ihrem Durchtritt durch das Becken, um am Bein den Ischiasnerv zu bilden. |
Es handelt sich um eine typische Schmerzprojektion: Die Störung liegt nicht im Schmerzgebiet, sondern am Ursprungsort des Nerven, nämlich der Nervenwurzel, die das schmerzende Gebiet mit Berührungs - und Schmerzempfinden versorgt. Man nennt dies auch Nervenschmerz oder Neuralgie. |
Je größer der Druck auf die Nervenwurzel, desto länger das sogenannte Schmerzband. Bei leichtem Druck reicht der Ischiasschmerz nur bis zur Hüfte oder Oberschenkel, bei starkem Druck kann das ganze Schmerzband betroffen sein, vom Rücken über Gesäß, Oberschenkel, Wade, bis zur Großzehe. |
Die Schmerzausstrahlung kann dabei ziemlich genau den einzelnen Nervenwurzeln zugeordnet werden. |
Bei starker oder lang andauernder Einklemmung einer Nervenwurzel kommt es auch zu Empfindungsstörungen oder Taubheitsgefühl im zugehörigen Schmerzausbreitungsgebiet. Schließlich können auch Lähmungen in den Muskeln auftreten, die der betroffenen Nervenwurzel zuzuordnen sind. |
Bei gestörter Fußhebung (Fersengang als Test) ist es die 5. Lendenwurzel, L5. Diese L5-Wurzel wird am häufigsten durch die Bandscheibe zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel - genannt L4/5 - durch einen Vorfall geschädigt. |
Bei schwacher Fußsenkung (Zehenspitzenstand als Test) ist es die erste Kreuzbeinwurzel, genannt S1.
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Es gibt auch Bandscheibenvorfälle, die gleichzeitig zwei oder mehrere Nervenwurzeln schädigen können. Ein sehr großer Bandscheibenvorfall, vor allem wenn er in der Mitte vorfällt und den ganzen Kanal verlegt, kann das Ganze im Wirbelkanal gelegene Nervenbündel, die Cauda, treffen und ist sehr gefährlich: Beide Beine, die Blase, Enddarm und die Geschlechtsorgane können gelähmt werden - das Cauda-Syndrom. Hier ist die Operation ganz dringend innerhalb weniger Stunden erforderlich. |
Bleibt eine Nervenwurzel längere Zeit durch einen Bandscheibenvorfall eingeklemmt und gequetscht, so entwickelt sich innerhalb der Nervenwurzel selbst eine Narbe. Selbst wenn die Wurzel durch die Operation von dem Druck entlastet ist, bleiben dann Mißempfindungen, Schmerzen oder Lähmungserscheinungen durch diese Narben oft weiter bestehen. |
Bei andauernden, nicht beeinflußbaren Schmerzen oder Lähmungen sollte daher möglichst bald operiert werden, zur Entlastung der Nervenwurzel. Gefährlich ist der sogenannte Wurzeltod: Der Druck auf die Nervenwurzel ist so stark, daß schließlich die Schmerzleitung unterbrochen wird. Das kann sehr trügerisch sein - die Schmerzen verschwinden zwar, aber gleichzeitig tritt eine Lähmung ein ! |
Bei Bandscheiben-Vorwölbungen (Protrusion) oder einfachen Vorfällen ist das Ischiasschmerzband meist nur andeutungsweise ausgebildet, auch sind die Beschwerden wechselhaft, verschwinden oft wieder von selbst.
Diese Schmerzen können meist noch durch Stellungsänderungen und krankengymnastische Maßnahmen (Rückenschule) gebessert werden. Offenbar wird der Bandscheibenkern durch den nicht vollständig gerissenen Faserring noch in seiner Lage gehalten. Auch ein Erfolg abschwellender Medikamente spricht dafür, daß eine solch unkomplizierte Situation vorliegt (linkes Bild). |
Wenn jedoch all diese Maßnahmen keinen Erfolg zeigen, die Schmerzen hartnäckig und gleichbleibend sind, unabhängig von Lagerung und Stellungsänderung, so spricht dies für eine schwerwiegende mechanische Ursache: Der Faserring ist gerissen, ein Bandscheibenstück ist ausgetreten und unter der Nervenwurzel eingeklemmt: "Der Nerv hat sich verklemmt" - wie das Motorgetriebe durch eine herausgefallene Schraube (rechtes Bild). |
Auch bei knöchern verursachten Nervenwurzelschmerzen sind die Beschwerden sehr hartnäckig und durch äußere Maßnahmen kaum beeinflußbar. Das passiert z.B. bei den knöchernen Einengungen der Zwischenwirbellöcher, den Austrittskanälen der Nervenwurzeln aus dem Wirbelkanal (Rezessusstenose, Foramenstenose).
Man kann sie durch eine einfache Operation erweitern: |
Ist jedoch der ganze Querschnitt des Wirbelkanales verengt, werden alle hier durchziehenden Nervenwurzeln behindert. Es treten Schmerzen und Kribbeln in beiden Beinen auf, vor allem beim Laufen. Der Kranke muß häufig Pausen einlegen, ähnlich wie bei Durchblutungsstörungen der Beine (Claudicatio spinalis). |
Eine weitere wichtige Schmerzursache beim sogenannten Rückenleiden rührt von einer Reizung der kleinen Wirbelgelenke her: Durch Erniedrigung des Bandscheibenraumes oder gar durch Wirbelgleiten kommt es zur Verschiebung der Gelenkflächen und damit zur schmerzhaften Dehnung der Gelenkkapseln, später zu Arthrosen. Siehe auch: Arthrose der kleinen Wirbelgelenke Bei all dem entstehen Rücken- und Beinschmerzen, die fälschlicherweise als Bandscheibenschaden erklärt werden. Durch die Überbeanspruchung der Muskulatur zum Ausgleich der Bandscheibenlockerung und Gelenkverschiebungen kommt es schließlich zu Schmerzen der Muskeln und deren Sehnenansätzen und wiederum zu dumpfen Rückenschmerzen. Die Sehnenansätze und Muskeln sind meist druckempfindlich. Durch genaue Befragung des Patienten, also Schmerzanalyse, und durch Untersuchung von Haltung, Gangbild, Wirbelsäule sowie neurologische Untersuchung läßt sich also schon im allgemeinen ein recht genaues Bild der vorliegenden anatomischen Situation gewinnen. |
Sprechen die Beschwerden rasch auf medikamentöse und krankengymnastische Maßnahmen an, so handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine harmlose Bandscheibenvorwölbung oder einen
komplikationslosen Bandscheibenvorfall.
Sind aber neurologische Ausfälle festgestellt oder die Beschwerden nach ein bis zwei Wochen trotz intensiver Behandlung nicht gebessert, so sollte die Ursache geklärt, d.h. eine Kernspintomographie durchgeführt werden, damit möglichst bald die gezielte Weiterbehandlung festgelegt werden kann. In diesen Fällen liegt meist ein gravierendes mechanisches Problem vor: |
Hierbei könnten konservative Maßnahmen einen unnötigen Zeitverlust und Leidensweg bedeuten. Außerdem gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die oft erst durch eine CT- oder (besser) Kernspin-Untersuchung erkennbar werden, und dem Patienten zur Wahl angeboten werden können.
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Die anatomische Situation läßt sich heutzutage am genauesten mit Hilfe der Kernspintomographie (MR) abbilden. |
Sie erlaubt in den meisten Fällen eine Aussage darüber,ob eine weitere konservative Behandlung überhaupt aussichtsreich erscheint. Abgetrennte und gewanderte Bandscheibenteile (Sequester) lassen sich damit sicher erkennen. |
Auch enge Wurzelkanäle und ein enger Wirbelkanal lassen sich damit gut beurteilen. Optimal geeignet ist diese Untersuchung für die ohnehin viel zarteren anatomischen Verhältnisse an der Halswirbelsäule:
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| Auch kann man damit größere Wirbelsäulenabschnitte übersehen, z.B. Lendenwirbelsäule plus untere Brustwirbelsäule. |
Die mit Röntgenstrahlen arbeitende Computertomographie (CT) sollte nur noch für spezielle Fragestellungen eingesetzt werden: als Myelo-CT nach einer Myelographie oder wenn eine Kernspintomographie nicht durchgeführt werden kann (dringender Notfall) oder darf (Patienten mit Herzschrittmacher). |
Die Methode der Myelographie wiederum (Bild rechts) darf heute als weitgehend überholt bezeichnet werden. |
Auch die Unterscheidung zwischen Narbe und Vorfall bei voroperierten Patienten gelingt meist recht gut mittels Kernspintomographie, wenn zusätzlich Kontrastmittel intravenös gegeben wird. Narbengewebe nimmt Kontrastmittel auf, Bandscheibenvorfälle wenig. |
Die Abkürzung für Kernspintomographie lautet NMR - englisch für Nuclear Magnetic Resonance - nicht etwa deutsch für "Nie Mehr Röntgen". Soweit sind wir noch nicht: |
Oft benötigen wir zusätzlich zum Kernspintomogramm Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule zur Beurteilung des Gesamtzustandes der Wirbelsäule (Osteoporose!), oft auch Schrägaufnahmen, in denen man die Weite der Nervenwurzelkanäle erkennen kann, oft zusätzlich Funktionsaufnahmen (unter Rück- und Vorwärtsbeugen) mit der Frage eines Wirbelgleitens. |
Mit diesen Untersuchungen, einzeln
oder in Kombination, ist die individuelle Situation des Patienten zu klären - auf jeden Fall dann, wenn neurologische Ausfälle
bestehen oder wenn nach einer vernünftigen Zeit konservativer Behandlung
keine Besserung eintritt. |
Sowohl die eigentliche konservative Behandlung wie auch die Nachbehandlung nach Operationen folgt diesen Prinzipien: Der Druck innerhalb des Bandscheibenraumes soll möglichst gering sein, da dies die wenigsten Beschwerden verursacht. Der geringste Druck wird in Rückenlage mit angewinkelten Hüft- und Kniegelenken und Aufhebung des Hohlkreuzes erreicht. Die Matratze muß eben sein, darf keine Kuhle bilden. Eine Bretteinlage ist nützlich. |
Diese entlastende Lagerung deckt sich auch mit dem zweiten Prinzip der konservativen Bandscheibenbehandlung: Bettruhe soll für eine Beruhigung und Verfestigung von gelockertem Bandscheiben- gewebe sorgen - sei es im Fall von unkomplizierten Vorfällen (ohne Sequester) oder im Fall von Bandscheibenrestgewebe nach Operation. Das Gewebe soll sich verfestigen, narbig verwachsen und schrumpfen. In diesem Sinne soll auch die gezielte Krankengymnastik wirken: Stabilisierung der Wirbelsäulensegmente von außen her durch Kräftigung der Muskulatur, um die Bewegungen der Wirbel und Gelenke zu verringern. Die Verlagerung von Bandscheibengewebe nach außen soll auf diese Weise vermieden werden. Das Bandscheibengewebe benötigt zur Verfestigung mehrere Wochen. |
Bandscheibenschonende Bewegungsabläufe entsprechend der sog. Rückenschule müssen geschult werden:
Volle Übung erst nach eingetretener Schmerzfreiheit. Sportliche Betätigung mit gestreckter Wirbelsäule ist erlaubt: z.B. Radfahren, Ballspiele, Wandern, Rückenschwimmen, jedoch kein rückenstrapazierender Sport wie Skifahren, Segeln, Reiten. |
Voraussetzung für das sogenannte Einrenken
(Chiropraktik) oder die Streckbehandlung (Extension)
bei Bandscheibenvorfällen ist, daß das vorgefallene Bandscheibengewebe
noch festen Kontakt zum Bandscheibenkern hat und nicht außerhalb des
Faserringes in den Wirbelkanal vorgefallen ist (sequestriert). ->
einfacher Vorfall
Bei großen Vorfällen wäre das Strecken nutzlos oder sogar gefährlich ! |
Das dritte Prinzip der konservativen Behandlung besteht in der Durchbrechung
des Teufelskreises zwischen Schmerz - Muskelverspannung
- Schmerz : Dazu dienen Bettruhe,
Wärmeanwendungen, warme Bewegungsbäder, Stangerbäder, Fangopackungen,
Massagen, Schmerzmittel und muskelentspannende Medikamente (z.B. Tetrazepam),
Übungsbehandlungen.
Wird Wärme nicht vertragen, steigern sich die Schmerzen, wirken Schmerzmittel kaum noch, helfen abschwellende Medikamente nicht innerhalb kurzer Zeit, so ist zu klären, ob nicht ein schweres -> mechanisches Problem der Nervenwurzel vorliegt. Um den Schmerzkreislauf zu durchbrechen, kann man auch gezielte Injektionen mit Lokalanästhesie oder entzündungshemmenden und entschwellenden Mitteln vornehmen. |
In sehr wenigen geeigneten Fällen kann die sog. perkutane Nukleotomie sinnvoll sein: |
Durch Vorschieben einer Hohlsonde in das Bandscheibenzentrum wird ein Teil des Bandscheibenkernes abgesaugt, um damit die Bandscheibe zu verkleinern und so die Nervenwurzel zu entlasten. |
Über die Sonde wird das Bandscheibeninnere mit feinen
Zangen oder einem feinen rotierenden Messer oder einer Laserfaser zerkleinert
und dann herausgespült. Die Erfolgsrate selbst bei den geeigneten Fällen liegt jedoch nur bei 60 bis 70% ! Voraussetzung bei dieser Methode ist aber immer, daß vorgefallenes Bandscheibengewebe die Bandscheibenkapsel noch nicht durchbrochen hat. Sind solche freien Sequester die Ursache für die Schmerzen, so müssen diese -> mikrochirurgisch oder endoskopisch entfernt werden. Eine Verkleinerung der Bandscheibe durch Absaugung allein würde hier nichts bewirken. |
Wenn die sogenannte Absaugmethode nicht geeignet ist, kommt die
offene mikrochirurgische oder neuerdings die -> endoskopische Operation in Frage.
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Die gedrückte Nervenwurzel wird über den kleinsten Zugangsweg, eine Fensterung, freigelegt und der darunterliegende Bandscheibenvorfall entfernt. Die Nervenwurzel wird von jeglichem Druck befreit. Einengungen durch Knochen können ebenfalls beseitigt werden. |
Um ein Nachrutschen weiteren Bandscheibengewebes (Rezidiv) zu verhindern, wird die gesamte gelockerte Knorpelmasse aus dem Bandscheibenraum ausgeräumt. Dieses Gewebe bildet sich nicht neu. |
Der Ischiasschmerz sollte sofort nach der Operation nachlassen, wenn die Wurzel nicht schon zu lange und zu schwer eingeklemmt war. Wie oben aufgeführt, ist hierbei die Nervenwurzel selbst vernarbt, was zu lang andauernden Mißempfindungen und Schmerzen Anlaß geben kann. |
Endoskopisch bedeutet, daß man ein sehr schmales Rohr in den Körper einbringt, durch das man mittels feiner Instrumente operiert. Das Kontrollbild aus der Tiefe gelangt über ein hochtechnisches Linsen- und Kamerasystem auf einen Monitor, über dessen Sicht der Operateur arbeitet. |
Durch diesen minimal-invasiven Eingriff wird nicht nur die äußere Narbe mit 15 bis 18 Millimetern sehr klein, sondern auch auf dem Weg durch Muskulatur und Knochen und vor allem im Wirbelkanal selbst entwickeln sich kaum Vernarbungen, so wie das bei der alten Technik der Fall war. Deshalb kann diese Operation völlig ambulant durchgeführt werden. |
Eine noch modernere technische Entwicklung besteht darin, den Bandscheibenvorfall durch einen seitwärtigen Zugang endoskopisch über das Nervenaustrittsloch, das Foramen, zu entfernen: Transforaminale endoskopische Diskektomie (TED). Dabei werden die Nervenstrukturen im Wirbelkanal völlig umgangen, somit Verwachsungen und Blutungen vermieden. |
In Entwicklung und im Einzelfall einsetzbar ist die endoskopische Verdampfung von Vorfällen und Sequestern mittels flexibler Laserfasern statt des Gebrauches von Metallinstrumenten. |
Eine Reparatur im Sinne einer Wiederherstellung des Zustandes wie vor dem Bandscheibenleiden ist die Operation meist nicht. Man kann aber die schlimmsten Auswirkungen damit "korrigieren". Es ist zu bedenken, daß durch die Bandscheibenoperation zwar die Wurzel befreit wird, aber an der Stelle der entfernten Bandscheibe eine Narbe bleibt. Dieser vernarbte Hohlraum wird zwar in etwa 2 Monaten fest und belastungsfähig, ist aber nie so elastisch und puffernd wie eine gesunde Bandscheibe. Deshalb kann auch nach einer Operation eine gewisse Anfälligkeit für Kreuzschmerzen, geringere Beweglichkeit und Belastbarkeit zunächst bestehen bleiben. Dennoch werden etwa 90 % der Kranken durch die Operation von den ausstrahlenden Schmerzen befreit. Das Wirbelsäulenleiden als solches ist nicht immer behoben, da Schädigungen an den anderen Bandscheiben und Gelenken bestehen bleiben. |
Die Ergebnisse sind also abhängig vom Gesamtzustand der Wirbelsäule und von der Dauer und Schwere der Wurzeleinklemmung und - vernarbung. Ca. 4 % der Bandscheibenkranken müssen später an der gleichen Stelle ein zweites Mal operiert werden, wenn restliches Bandscheibengewebe nachrutscht, oder an einem neuen Vorfall an einer anderen Bandscheibe (Rezidiv). Ein ungelöstes Problem der mikrochirurgischen Bandscheibenoperation war bisher die Narbenbildung um die Nervenwurzel an der Operationsstelle, was später zu anhaltenden Beschwerden führen konnte. Durch die speziellen -> minimal-invasiven Verfahren tritt dieses Problem kaum noch auf. |
Die Bandscheibenoperation ist heute ein alltäglicher Eingriff ohne besonderes Risiko. Die Gefahren gehen nicht über ein allgemeines Operationsrisiko hinaus wie Wundheilungsstörung, Schwellung, Nachblutung. Um die Gefahr der Nachblutung möglichst gering zu halten, wird am Ende der Operation manchmal ein dünner Schlauch mit Vakuumsog eingelegt. Er kann am ersten Tag nach der Operation entfernt werden. Die Patienten können ohne weiteres bereits wenige Stunden nach der Operation aufstehen. Um dies möglichst leicht zu gestalten, erhalten die Patienten genaue Anleitung, wie sie selbständig, ohne Schmerzgefahr, aus dem Bett aufstehen und sich bewegen sollen. Der Transport nach Hause ist deshalb schon am Tag der Operation oder tags darauf möglich. |
Die Operation kann vollständig ambulant vorbereitet werden. Erst 1 bis 2 Stunden vor dem Eingriff müssen Sie ins Krankenhaus oder den Praxis-Op. Vor der Operation müssen Sie 6 Stunden nüchtern sein, in dieser Zeit auch nicht geraucht haben. Achtung: Nach Einnahme von aspirinhaltigen Schmerzmitteln (Acetylsalicylsäure) oder Medikamenten (ASS) sollte die Operation wegen der gerinnungshemmenden Wirkung mit erhöhter Blutungsneigung um 1 Woche verschoben werden. Nach der Operation kann sich der Patient im Bett ohne weiteres bewegen. Legt er sich auf die Seite, dann möglichst ohne Verdrehung der Wirbelsäule. Eine Gefahr, daß dabei etwas passiert, besteht nicht. Wenn die Narkosewirkung abgeklungen ist, kann er unter Hilfestellung über die Bauchlage aus dem Bett rollend aufstehen. Dieses Hinaus- und Hineinrollen über die Bauchlage dient der Stabilisierung der Lendenwirbelsäule und sollte für die nächsten Monate befolgt werden. Das Wasserlassen klappt normalerweise sofort. Sollte das einmal nicht der Fall sein, so geht es beim ersten Aufstehen. Nur selten muß das Wasser mit Einmalkatheter "geholt" werden. Am ersten und zweiten Tag kann es kurz zu einer leichten Temperaturerhöhung kommen, das ist normal (Resorptionsfieber). Da am Operationstag und am ersten Tag danach meist leichte Rückenschmerzen vorhanden sind, erhalten die Patienten noch in der Narkose ein Schmerzmittel, das ihnen in niedriger Dosis bis zur Entlassung weiter über die Infusion zugeführt wird. Gleichzeitig werden spezielle Tabletten zur Muskelentspannung und Abschwellung gegeben. Es ist kein Problem, auch nachts noch zusätzlich etwas gegen Schmerzen zu nehmen, falls dies erforderlich sein sollte. Die Medikamente zur Entspannung und Abschwellung sollten für 2 Wochen nach der Operation genommen werden (Rezept). In seltenen Fällen kommt es zwei bis drei Tage nach der Operation zu neuen, leichten Ischiasschmerzen, wenn die Nervenwurzel nachträglich schwillt. Nur selten muß man gegen diese Wurzelschwellung 2 bis 3 Tage zusätzlich Cortison verabreichen. |
Da der Druck auf die Bandscheibenräume im Sitzen und in gebückter Haltung am größten ist und Schmerzen verursachen kann, sollten die Mahlzeiten liegend oder stehend eingenommen werden. Duschen ab 3. Tag nach Operation. Der Verband muß wasserdicht abgeklebt werden. Grundsätzlich gilt: viel liegen, nicht sitzen, nicht lange stehen, öfters kurz herumlaufen: Am ersten Tag 5 mal 5 Minuten. Häufigkeit und Dauer täglich steigern. Der Patient sollte auf seine Körpersignale achten: Bei Liegeschmerzen aufstehen und etwas herumlaufen oder die Lage wechseln. Bei Beschwerden nach längerem Laufen wieder hinlegen. Intensive Krankengymnastik sollte erst nach 1 Woche begonnen werden. Sitzen sollte für 2 Wochen gemieden werden. Autofahrten (Liegesitz) ab 2 Wochen nach der Operation. Selbst Autofahren 3 Wochen nach Operation auf kurzen Strecken. |
Die Entlassung nach Hause (Krankentransport) ist spätestens am Tag nach der Operation möglich. Die ambulante Weiterbehandlung beim Hausarzt und ambulante Rehabilitation durch den Krankengymnasten sollte vorher abgesprochen sein. Eine stationäre Rehabilitation - falls überhaupt erforderlich - sollte rechtzeitig beantragt und auf den Operationstermin abgestimmt werden (Beginn ca. 1 Woche nach der Operation). Die krankengymnastische Therapie richtet sich nach den Prinzipien der -> konservativen Behandlung. |
Auch an der Halswirbelsäule kann es zu Bandscheibenvorfällen oder knöchernen Verengungen kommen. Dabei kommt es zu Schmerzen, Taubheitsgefühl oder gar Lähmungserscheinungen in Arm oder Hand.
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Auch hier kann endoskopisch eine kleine Fensterungsoperation als Foraminotomie (ähnlich wie an der Lendenwirbelsäule) von hinten vorgenommen werden, um den Vorfall zu beseitigen oder um die Knochenverengungen mit einer Diamantkugelfräse abzutragen (High-Speed-Drill 70000 U/min). |
Voraussetzung dabei ist, daß Vorfall oder Verengung mehr seitlich sitzen (Bilder oben).
Das Besondere an der Halswirbelsäule ist nämlich, daß hier im Kanal das Rückenmark verläuft.
Sitzen Vorfall oder Knochenkanten also mehr zur Mitte hin und kommt es dabei zu Zeichen der Rückenmarksbeteiligung, so kann man nur den Operationszugang von vorne wählen, die ventrale Diskektomie. |
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Dabei räumt man die erkrankte Bandscheibe zwischen den Wirbeln aus und beseitigt dabei Vorfall oder Knochenkanten direkt vor dem Rückenmark - mikroskopisch oder endoskopisch. Die Bandscheibe wird durch Knochenzement, Titan oder Eigenknochen ersetzt. |